3
Mai
2007

WO SOLL ICH ANFANGEN ZU LEBEN?

Gestern in einer Mail die rhetorische Frage:
Wo soll ich anfangen zu leben?
(danke an ferenc für die Inspiration und danke an M.S. für den Stachel in meinem Herzen)

Während ich meine höchstpersönliche Evolution durchforste nach meinem Anfang zu leben, macht Alex Harvey mit seinem Hammer-Song den Weg frei für Isobel Goudie, die irgendwann nicht mehr das tat, was sie tun sollte und in mir keimt der Verdacht, dass diese Musik nicht unwesentlich daran beteiligt war, mir den Stachel ins Herz zu setzen, das wirkliche Leben zu suchen, um endlich damit anzufangen.


leben


... Und nun stand sie auf der Schwelle, den Finger über der Klingel. Auf dem Messingschildchen, das eine Politur gut vertragen hätte, stand in kursiver Schrift "Leben".
Das Leben wohnte in einer schönen Berliner Altbauwohnung, hohe Decken mit Stuck und verwinkelten großen Räumen, von denen einer zum Hof hinaus ging. Ein dort liebevoll angelegter kleiner Garten verströmte Ruhe und die mitwohnende Katze hatte es auch nicht schwer, mal schnell zu Besuch zu kommen.

Es war schon auf dem Sprung, das Leben. Es hatte bemerkte, daß es hier an seine Grenzen stößt, wollte sich deshalb anderswo umtun und hatte auch schon die schwer erkämpfte Fahrkarte in der Hand.
Das Leben hatte sich sein Dasein hier nicht leicht gemacht, schließlich zeigte es sich von einer Seite, die ihm Schutz bot, viele aber erschreckte, abschreckte.

Dann wurde es doch entdeckt, von ihr, in einem unbedachten Moment, als es an seinem letzten Tag in dieser Welt müde und wahrhaftig am Tresen stand. Die Maske neben dem Bierglas, lächelte es sie an, fast unbemerkt von all den anderen, die herumstanden, die sich zuprosteten und immer wieder betonten, wie toll das doch ist, dass endlich ein bekanntes Leben es geschafft hat, hier rauszukommen. Niemand fragte, ob das Leben das wirklich wollte, so wollte, von Anfang an so wollte.

Sie liefen sich hier schon oft über den Weg, sie und das Leben und plötzlich überkam sie heute der dringende Wunsch, es endlich kennen zulernen - so, als wäre dies die einzige und letzte Chance. Vielleicht auch in der Gewissheit, es bei Nichtgefallen am nächsten Tag schon wieder los zu sein. Sie stellte sich zu ihm, sie ging mit ihm. Sie blieb bei ihm, obgleich sie es hätte nicht tun sollen. Und das Leben fand Gefallen daran. Nie vergaß sie ihre ersten Schritte ... sie begann zu leben.

Sie begann zu leben in dieser Behausung, zwischen ein paar Möbeln und Kartons, die darauf warteten, in ein neues Zuhause abgeholt zu werden, auf einem Teppich aus ihr unbekannten Tönen, zwischen Stapeln von Büchern, von denen sie nie hörte und die niemand haben wollte, schlug das Leben eine Seite nach der anderen auf. Sie krallte sich tief in das Fleisch des Lebens, hing an seinen Lippen, tauchte in seine Augen, saugte gierig alles auf, teils voller Erstaunen und Bewunderung, teils mit sichtlichem Entsetzen.
“Ja, so bin ich“, sagte das Leben schließlich leise als es schon hell wurde. Und alles, was zuvor war, verblasste im Dämmerlicht.

Als sie gehen wollte, flehte das Leben, wenigsten die Kunstbände an sich zunehmen und das Schachspiel und ... das Leben ließ die Fahrkarte verfallen, es blieb.

Was sie nicht wusste, dieses Leben war hochsensibel und damit es nicht verreckte an seiner Umwelt, hatte es sich schon seit längerem betäubt mit Alkohol, dann mit Tranquilizern, dann mit beidem und die Abstände wurden immer kürzer und die Wunden immer tiefer. Und es war immer nur für eine ganz kurze Zeit eine neue Welt in Sicht.

Irgendwann musste sie traurig feststellen, dass dies nicht ihr Leben war. Es wurde ihr manchmal so schwer, dass sie es kaum tragen konnte, nicht ertragen konnte. Noch einige Male besuchte sie es auf der Intensivstation, wo es immer häufiger lag, hörte sich seine Späßchen an, mit denen es sie aufheitern wollte und eigentlich Hilfeschreie waren.

Damals hatte sie schon einige Lebensversuche hinter sich. Sie begann, sie verwarf und in jeden erneuten Anfang zu leben trug sie Reste des alten - die vielen schönen Bilder aber auch die verzweifelten Schreie, wenn sie sich wieder daraus löste. Und jedes Mal wollte sie es besser zu machen, suchte, wo sie wieder anfangen sollte.

Eines hat sie begriffen bei all dem, sie kann nur dort anfangen zu leben, wo sie ihre Ängste ablegen kann.

Mit diesen Gedanken stand sie nun auf der Schwelle, den Finger über der Klingel. Auf dem Messingschildchen, das eine Politur gut vertragen hätte, stand in kursiver Schrift "Leben".


.........................................................................
liesmal - 3. Mai, 12:53

Eine fast „mystisch“ anmutende Geschichte, feinsinnig erzählt. Das Mitgefühl für beide - fürs Leben und für „sie“ - lässt mich rufen: Lass dich nicht zu Boden werfen, kein Mal! Steh auf – und klingele! Und dann schließ schnell die Tür hinter dir - damit die Angst endlich draußen bleibt.

Luna in flagranti - 3. Mai, 13:25

Braucht das Leben Mitgefühl? Brauche ich oder brauchst du Mitgefühl?
Mit Gefühl an das Leben, an mich oder dich heranzutreten, das ist es. Aber ich weiß auch, daß du es so meinst. Und vor der Tür kann ich meine Ängste auch nicht lassen, sie sind doch ein Teil von mir, gehören zu mir und sie sind mir doch Instinkt, wichtiger Beschützer und scharfsinniger Beobachter, wenn ich mich von meiner fast kindlichen Naivität mal wieder sonstwohin tragen lasse. Ich nehme sie mit, denn ich kenne sie ja und wir können ganz gut miteinander. Ich lege sie an der Garderobe ab. Und nun lass mich mal klingeln ...
liesmal - 3. Mai, 15:42

Ja. Ich zeige und erfahre schon gern Mitgefühl - weil es sich genau so ableitet, wie du es gesagt hast: "mit Gefühl". Somit sind wir uns da doch einig. :-) Ich habe bewusst nicht das Wort "Mitleid" benutzt.
Und wo du deine Angst stehen oder liegen lässt, ist mir in dem Fall auch egal. :-) Hauptsache, sie verhindert nicht, dass du wirklich lebst.
Manche geben auch noch ganz andere Dinge an der Garderobe ab... ihr Hirn, ihr Herz oder hängen gar ihr ganzes Menschsein "ohne Gefühl" :-) an den Haken.
Ich lass dich ja getrost klingeln. Denn du tust es "beherzt". :-)
franz (Gast) - 3. Mai, 17:50

Sie lebe
Sagte sie noch
Ein Herz schlägt dreimal auf
Ein Lachen verziert seinen höllischen Mund
Wo auch immer es geschah
Wir hielten uns nur kurz
Dran und auf
Als die Schritte im Nebel verhallten
Die Masken abfielen und grässliche Fratzen
Eintraten
Deine Augen hatten noch einen Schatten vor sich
Ein stummes Mädchen vor umgeknickten Fassaden
Die Parkzeit ist längst abgelaufen
An der Windschutzscheibe flattert eine Überweisung
Ist heute Sonntag fragt mich die Wolkenformation
Ich sollte hier nicht bleiben sagte sie
Oder geht es noch woanders hin
Ich werde geblendet
Auf der Flucht vor dem eigentlich Feind
Quer durch das Monopol ihres fedrigen Daseins
Bunt dekoriert und Fahnen gehisst
Wenn sie da sein wird werde ich schon warten
Meine Arme öffnen und küssen was es noch zu küssen gibt
Zunächst
Tragisch
Schön
Dort wo das Schmerzvolle blüht
Entdecken wir unsere Möglichkeiten

Doch meine Politurflasche ist leer
Was soll ich machen
Nur machen
Es zwingt mich über den Facetten des Sterbens

FrauvonWelt (Gast) - 4. Mai, 00:00

Nicht klingeln, bitte nicht. Nicht schon wieder. Noch mal die ewig gleiche Erfahrung machen? Noch mal täglich Intensivstation? Nein, irgendwann sollte man gemerkt haben, dass man selbst der Schlüssel zu allem ist. Also: Finger weg von der Klingel und Schlüssel benutzen.
Sei gegrüßt liebe Luna in dieser Vollmondnacht.

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