13
Apr
2008

SEI GEGRÜßT,BOMA

Ich möchte dir einen Brief schreiben. Ich schreibe dir einen Brief. Und ich lasse ihn offen, weil ich denke, es betrifft Gedanken, über die man sich ruhig mal Gedanken machen kann ...
Also dann.

Guten Morgen, Gedankenkramer!

Gedankenverloren starre ich in meine riesige Kaffeetasse. Vom starken Kaffee blieb nur noch der Satz, den ich jetzt durch langsames Kreisen am Tassenrand entlang kriechen lasse. Ob ich es schaffe, den Rand zu benetzen, ohne dass von dem krümeligen Satz etwas auf den Boden fällt? Tiefes Durchatmen, man könnte sogar sagen Seufzen. Es wird Zeit, etwas zu tun, lese ich im Kaffeesatz, es wird Zeit, abzuwaschen.

Abwaschen ist nicht nur abwaschen. Abwaschen ist mehr. Ich pfeife Lili Marleen vor mich hin, der Ohrwurm kam wieder zurück und in Bruchstücken auch der Text ... ‘aus dem stillen Raume, aus der Erde Grund, hebt mich wie im Traume‘ ...

Meine Gedanken verheddern sich in deinem letzten Beitrag. Es geht ums Träumen, Erwachen, Wachen - Ich lese die ersten Zeilen ein ums andere Mal. Mit jedem weiteren erschließt sich mir dieses wunderbare Bild des Schlafenden unten am Waldboden mehr - halbdunkel, weiches Moos, nur einige gefilterte Tropfen der gierig um sich greifenden Realität erreichen ihn. Das Blattwerk ist gnädig, schützt den Träumer.
„Das Erwachen hob mich förmlich langsam empor wie einen Taucher aus der Düsternis der Tiefe, während mir der Schlaf die Schwere gegeben hatte, hinab zu sinken.“

Das Wasser wird kalt, während ich mir zu meinen Gedanken Notizen mache, um sie anschließend in Ruhe zu ordnen.
Ich schleudere ins nächste Level - Wirklichkeiten und deren Interpretation, Illusionen.
„Vielleicht ist die Wirklichkeit nur ein "Klar-Traum" unseres Gehirns, welchen wir mit den Lebewesen teilen, deren Gehirne dem unseren ähnlich sind.“ ...
Ich singe leise vor mich hin - ... ‚Unsere beiden Schatten sah'n wie einer aus, daß wir so lieb uns hatten‘ ... . Inzwischen bekomme ich sogar den Text wieder zusammen.
Und inzwischen gehe ich auch davon aus, dass unterschiedliche Wahrnehmung der Wirklichkeit und das Abstürzen aus den Träumen dafür verantwortlich zeichnen, dass Liebende sich trennen.
„Ich träume, mein Wach-Sein ist eine Illusion. Ich lebe in einer Illusion, die darum wirklich ist, weil ich sie mit vielen anderen teile.
Und das ist vollkommen in Ordnung für unser Leben, wie es in Ordnung für das Leben anderer Kreaturen ist, die aufgrund ihrer Andersartigkeit in anderen Wirklichkeiten/Illusionen leben. Leben ist, sich die Wirklichkeit erträumen. Leben ist Interpretationssache.„
Ja. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Oder doch? Auf jeden Fall ist es ein schöner, interessanter Ansatz und würde vieles erklären.

... ‚Schon rief der Posten: Sie blasen Zapfenstreich,‘ ... Es ist kurz vor sieben (abends), ich habe den Tag nicht verschlafen, ich habe mehr daraus gemacht, habe mich in deinen Gedanken gesielt, in Illusionen verstrickt. Einiges werde ich mitnehmen in die Nacht. Es ist die letzte in diesem Ritt. Drei Tage Ruhe, drei Nächte am Laptop. Dann wieder von vorn. ... ‚deine Schritte kennt sie, deinen schönen Gang. alle Abend brennt sie, mich vergaß sie lang.‘ ...

Vergessen ... Habe ich mich dazu schon geäußert?
Vergessen ist wie eine OP am offenen Herzen. Glaube ich zumindest.

Darf man ein PS vor den Gruß setzen? Ich tue es einfach.

PS:
„Somit verschlafen wir unser ganzes Leben. Ist diese Vorstellung nicht köstlich? Der Tod würde dabei das Erwachen aus dem Leben bedeuten.“

Ja, das ist sie - köstlich, diese Vorstellung. Und in diesem Sinne schleiche ich mich jetzt davon. Mit den besten Grüßen.

Gute Nacht
Luna


................................................
bonanzaMARGOT - 17. Apr, 12:28

hallo luna,

vielen dank für deinen brief. in briefen seine gedanken schweifen lassen ... wie oft machen wir das noch in unserer schnelllebigen, hektischen zeit? die wirklichkeiten ändern sich ständig, und das wirkt sich in allen bereichen menschlichen wirkens aus. weder im beruf noch privat kann man es sich so recht gemütlich machen. ständig muss man sich fragen, ob man den anforderungen noch genügt. der leistungsdruck macht uns kurzsichtig. emotionen veröden, weil sie hinderlich sind. menschen bekommen harte herzen. man schaut lieber weg, als sich mit unangenehmen lebensfragen und ängsten zu beschäftigen. man lügt, weil alle lügen. nein, ich glaube, das ist nicht nur ein thema unserer zeit sondern ein ewiges thema der menschen auf diesem erdball.
wir werden von macht, konsum und geld geblendet und verlieren beiläufig unser soziales gewissen. auch unser gefühl für gerechtigkeit. ich erlebe das leben, als müßte ich fähigkeiten, die ich ehemals unwillkürlich besaß, mir langsam selbst bewußt zurückerobern muß, weil sie in den familien, schulen und im studium zu wenig gefördert und besprochen werden ... ich komme als fertiger mensch auf die welt und verliere ... bis ich durch selbstständiges denken langsam und sehr mühevoll meine verbindungen zu welt und natur wiederentdecke. vieleicht zu spät ... ich wünschte, ich hätte in der schule weniger formeln und vokabeln gelernt, dafür mehr über uns menschen selbst und die natur, die alles hervorbringt.
warum gibt es keinen weg zwischen den religiösen traditionen und dem naturwissenschaftlich-materialistischen weltbild? ich fühle mich weder im einen noch im anderen zuhause. die religionen sind mir zu dogmatisch und traditionsbehaftet, und die naturwissenschaften sind mir zu weit weg von der emotionalen ebene menschlichen erlebens. es bleibt mir also nur übrig, irgendwie selbst einen weg zu finden, wie ich moral und ethik für mich beseele. immer wieder stoße ich dabei auf dicke wände, gegen die ich vergeblich anrenne (trotz dickkopfs): wände aus bürokratismus, spießertum, kleingeistigkeit, wände aus gewalt und menschenverachtung.
ich könnte es mir einfacher machen, indem ich ohne große "gedankenkramereien" mein leben privat und beruflich fristete. aber - teufel nochmal! ich kann nicht anders, als scheußliche fragen zu stellen ... und ich habe keine antworten; nur glaube ich, dass wir uns die fragerei nicht sparen sollten, wenn wir wirklich die welt, in der wir leben, für alle menschlicher gestalten - na ja, und unser eigenes leben nicht nur als marionetten verbringen wollen.

oh heiliger grübelgott, geb mir ruhe!
für heute.

lieben gruß
bon.

Luna in flagranti - 18. Apr, 19:47

Wegschauen, Lügen - als Ursache und Wirkung von/für die sich wandelnde Wirklichkeiten (Wirkung und Wirklichkeit mit einem Wortstamm ... sicher kein Zufall).
Schade, dass es nicht anders ist, dass man selbst nicht mehr und nicht mehr(ere) etwas dafür tun, dass Hinschauen und Ansprechen zur Triebfeder der Verwirklichung dessen ist, was sich letztlich alle wünschen ...
Vielleicht ist es ja schon ein kleines Stück auf diesem Weg, seinem Gefühl zu folgen, seinen eigenen ehrlichen Maßstäben und Gesetzen, ohne Scheu und auch die eigene Fehler auf dem Weg dahin zu sehen, einzusehen - als Handlungsimpuls für Richtungsänderung, nicht als Makel.

Den Grübelgott schicke ich dir erst einmal zurück ... ich muß jetzt zur Arbeit.
Liebe Grüße von der Luna
bonanzaMARGOT - 19. Apr, 17:55

hallo luna,

ich fuhr bis jetzt ganz gut, wenn ich auf mein "gewissen" hörte - leider nicht so ganz einfach, weil da auf der anderen seite mächte wie opportunismus, feigheit und angst wirken. es ist schon ein fortschritt, wenn man einfach ehrlich zu sich selbst ist.

hast du zur zeit auch nachtdienst? hoffentlich keinen stress?
alles gute für die nacht.

bon.
Luna in flagranti - 19. Apr, 19:32

Grüß dich bon, "Gewissen" ... wieder so ein Reizwort. Ich glaube auch man hätte in der Tat wesentlich weniger Probleme damit, wenn man sich selbst gegenüber ehrlicher wäre ... jeder ...
Und ja, ich schichte die Nächte und ob stressfrei, das weiß ich immer erst, wenn ich morgens im Bett liege. Wir wünschen uns keine ruhige Schicht, wir wünschen einen schönen Feierabend und ein vielfaches "Schlaf schön ..." Das hört sich gut an und birgt weniger Gefahr, dass was schief läuft ... aber was erzähl ich da ... das weißt du ja wohl selbst am besten.
LG von der luna
bonanzaMARGOT - 19. Apr, 19:43

in 20 jahren

machte ich schon einige sitten in der pflege, speziell im nachtdienst, mit. vollmond ist ja wohl nicht.
erstens anders, zweitens als man denkt.
hauptsache es bricht kein feuer aus.
oder ein erdbeben ...

ich will nicht alles erleben, was möglich ist.

gruß
bon.
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