17
Apr
2007

“WIR FÜHREN NICHTS FÜR MENSCHEN”

Franz
Verfasst am: 16 Apr 2007 23:33
im Forum der Blauen Fassade

Ich möchte eine neue Fassade kaufen, sage ich. Er sieht mich nur an mit seinem stupiden Gesichtausdruck, den kleinen Schweinsaugen, den tiefen Geheimratsecken, den leicht hängenden Wangen, dem Doppelkinn und seinen zusammengespitzten Lippen an. Habt ihr keine, frage ich vorsichtig nach. „Hm, wir haben Fassaden. Für was genau soll es denn sein?“ „Für meinen Körper.“ „Wie für ihren Körper?“ „Man hat mich durchschaut. Ein unangenehmer Zustand wenn man entlarvt wurde. Haben sie was Blaues?“ „Wir führen nichts für Menschen.“ Da dreht man sich und verlässt den Baumarkt mit seinen elektronischen Schiebetüren wieder und steht im gleißenden Licht der Sonne und überlegt wo man jetzt hingeht. Oder ob man einfach stehen bleibt und einen weiteren Tod stirbt.

Petra

Während sich die elektronische Schiebetür des Baumarktes hinter ihm schließt, hakt sie und öffnet sich erneut. Schritte stocken, er dreht sich um. Unbehagen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Wenn er jetzt eine Fassade gehabt hätte, es hätte nicht einmal eine blaue sein müssen, er wäre mit jeder zufrieden gewesen.

So sah sie ihn - nachdenklich, traurig, wütend und nackt. Der Hunger nach Schönheit und Ruhe hatte ihn ausgemergelt, gezeichnet als williges Opfer für Fassadenverkäufer der übelsten Sorte. Das musste sie unterbinden.

Sie sprach ihn an: “Entschuldige bitte, du willst eine Fassade kaufen, eine blaue.” “Ja! Und?”, kam seine Antwort, die eine gewisse Resignation nicht vermissen ließ. “Hast du vielleicht eine für mich?”
Er musterte die kleine Frau mit den krausen Haaren. Sie ihn erinnerten an... Er dachte nicht weiter darüber nach, woran ihn diese Haare erinnerten. Ihre Haut war durchsichtig, fast wie Pergament und auch ihr langes Kleid war ziemlich ungewöhnlich. Ihre Stimme zog ihn sofort in ihren Bann.. Sonor, fast farblos erzählte sie von einem alten Haus am Rande der Stadt. Es gäbe dort ein nettes Lokal, das nur wenige kennen. Er solle doch mitkommen, sie wäre gerade auf dem Weg dorthin und suche noch einen Begleiter.
Bevor er einen weiteren Tod stirbt ... Was soll’s ...
Er trottete neben ihr her, die Seele im Schlepptau. Sie sprach die ganze Zeit über von Büchern, von Denkern und Dichtern von Poeten, von den ganz Großen und den kleinen Schreiberlingen, die eigentlich alle nur eines gesucht haben in ihrem Leben, ein Versteck.

Vor einem Haus, Jahrhundertwende achtzehn-neunzehn blieb sie stehen. Stuck und Verzierungen an den unteren Etagen, die oberen schienen nachträglich angebaut. Gerade und schnörkellos streckten sie sich unter ein luftiges Dach, durch das ein Baum ragte. Mit lautem Knarren kündigte die Tür von ihrer Ankunft.
Das Auge musste sich erst an das diffuse Licht gewöhnen. Rauchig war es und es roch nach Alkohol, “Ja, das gibt es hier auch, aber das soll dich nicht weiter erschrecken“, hörte er sie sagen, während sie ihn zwischen Stapeln von Büchern und ungebundenen Blättern an einen freien Platz führte, nahe einem der großen vierflügligen Fenstern. “Hier kann jeder herkommen und sich eine fassade bauen."

“Verrückt“, dachte er und sah zu, wie sich die fremde Frau nun vor ihm langsam auszog. Das weißes Kleid sorgfältig vor sich auf dem Boden, breitete sie ihr Haar darüber. Sofort kam ihm der Vergleich wieder in den Sinn ... Buchstaben, es waren Buchstaben, die sich zu einer Frisur auf ihrem Kopf türmten.
“Komm her” Sie bedeutete ihm, sich zu ihr zu setzen. Verwundert sah er ihr zu, wie sie aus diesen Buchstaben Worte formte, Sätze bildete und diese zu einer Geschichte zusammenstellte. Es drängte ihn, es ihr gleich zu tun und als ob sie sein Verlangen spürte, breitete sie sich selbst vor ihm aus, Pergament der feinsten Art. Fiebrig glitt seine Hand durch ihr Haar und zauberte Zeilen hervor, die er behutsam auf den nackten Leib legte. Dabei blieb ihm nicht verborgen, dass dieser Körper nicht unbeschrieben war, kaum eine Pore, die nicht schon mehrere Buchstaben geschluckt hätte. Aber das störte ihn nicht.

Es wurde Abend und er saß ungläubig vor seinem Werk. “Wer bist du”, fragte er leise, fast zärtlich.
“Ich bin deine Muse”, sie stand auf, streifte sich ihr mittlerweile dichtbeschriebenes Gewand über. Einer Fassade gleich hüllte es sie ein.

Sie gingen hinaus in die Dunkelheit, die auf einmal nichts beängstigendes mehr an sich hatte. Im Nacken spürte er den Blick einer Frau die ihnen am offenen Fenster stehend nachsah. “Und wer ist das?”
Ohne sich umzudrehen antwortete die Muse.
"Das ist Johannas Kind.”


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16
Apr
2007

UND DIE SONNE KÜSST MEINE ZEHEN

Ich zelebriere diesen späten Morgen nach einer Nachtschicht.
Ein Frühlingsmorgen, den man einfach feiern muss.
Ein reifer, ein satter Morgen, nicht wie diese normalen, quirligen, geschäftigen, jungen, aus denen erst noch etwas werden muß. Dieser Morgen ist fertig. Dieser Morgen ist perfekt.

Frühstück im Freien, das erste in diesem Jahr - ein Festmahl, wie schwere Seide fühlt sich das an, wie Brokat auf unruhigen Nächten... so etwas gibt es erst und ausschließlich ab 14 Uhr auf meinem Planeten.
Leichter, lauer Wind fährt ganz nebenbei durch mein ungekämmtes Haar, ein Gruß. So liebtest du mich am meisten, so mit all diesen Spuren der Nacht. Nur ich und ich und ich.
Die Sonne, die gerade noch zögernd um die Ecke schaute, steht nun schon mitten auf meiner Terrasse, so als wolle sie sich vergewissern, dass ich auch schon hier bin. Wäre ich es nicht, hätte sie mir unmissverständlich bedeutet, dass man innerhalb zweier Jahre auch hier ruhig einmal die Fenster putzen könnte. Aber sie sieht mich, sie küsst mich, sie versucht breit und golden, mir mit ihren glühenden Fingern die Augen zu schließen. Lachend wehre ich mich, hole meine Sonnenbrille und eines meiner neuen Bücher.

Ein Buch, wie ein Strudel, alles verschlingend, auf eine Weise, die ich nur mit meinem Gefühl beschreiben kann ‘Liebeskummer‘, nein eher ‘liebeskrank‘. Nahezu jedes Wort scheint aus meinem Herzen gerissen und die Wunden klaffen, weil diese wunderbaren Bilder von einem anderen gemalt wurden. Weil diese Zeilen, Zeilen wie Romane, von einer Tiefe sind, in der man tatsächlich ertrinken kann.
Ich lasse mich mitziehen, kreise genießend und neidvoll gleichermaßen und beschließe, dass dieses Buch für mich geschrieben wurde.
So steht es zumindest in der Widmung "Für P., die vergeßlich ist.". Das passt sogar und es versöhnt mich.

Am Ende dieses Strudels findet sich eine Tasse kalten Kaffees, warmer Orangensaft, ein trockenes Brötchen und zerlaufene Butter, in der inzwischen Ameisen baden und ein knurrender Magen.
Ich gehe ins Zimmer, teile der Welt meinen seligen Schmerz mit und gehe danach wieder in die Sonne. Alles heute unwichtige stehen und liegen lassend, lese noch mal und noch mal und noch mal und lasse mir in Ermangelung von Fischen von der Sonne die Zehen küssen.


Aber nun zu dir, Ference! Ist dir klar, was du mir da angetan hast?
Und ich danke dir sogar noch dafür!

14
Apr
2007

MUSENBISSE

Ein herrlicher Tag! Ich habe frei, liege auf dem Balkon, die Sonne scheint, ein leichter Wind fächelt mir Luft zu ... ich habe es gut! Ein tiefer zufriedener Seufzer entfährt meiner Brust.
Und das, obwohl ich leide.

Ja, ich leide! Aus der Wohnung verbannt - eingehüllt in Decken bis zum Hals, nur die nackten Füße schauen heraus und die tropfende Nase! Um mich herum Pillen, Tees, Brausetabletten mit Vitamin C, gegen Kalziummangel, zum Schleimlösen und Taschentücher, Hustenbonbons, Halslutsch-pastillen, Nasensprays ... Ich leide! Ich habe keinen vulgären Schnupfen, nein - ich nicht! Ich kämpfe gegen einen akuten, massiven Rhinovirenbefall und ich leiiiiideeeeee! Voller Hingabe genieße ich diesen Zustand, koste ihn aus. Wann war ich schon mal so krank ...?

Taktlos reißt mich das Schellen der Wohnungsklingel aus unruhigem Schlummer. Ein Luftzug deutet mir, dass die Tür geöffnet wird. Leichtfüßig huscht jemand herein. Betont leises Flüstern auf dem Flur, gerade so, dass ich es hören kann, weckt meine Neugier. ”... das ist ja schrecklich ... gestern war sie noch quietschfidel und nun ... wie lange hat sie ... ich meine, sie wollte doch ...”. Ich konnte nicht jedes Wort verstehen und bevor ich mich in dem entgegengebrachten Mitgefühl aalen kann, erspüre ich einen ironischen Unterton in der Stimme meiner Freundin.
Schlange! Steckt mit meiner nesthockenden Tochter unter einer Decke! Mir fehlt die Kraft, mich zur Wehr zu setzen.

Schon gestern belauschte ich ein Telefonat zwischen meinen Töchtern. Sagte doch die Nesthockende zu ihrer großen Schwester “... Mama willst Du sprechen? ... warte mal ... wie es ihr geht? ... ach, sie leidet ... diesmal ist es besonders schlimm ... sie trägt Rot! ...”
Ja, ich trage Rot. Rot steht mir gut, wenn ich leide, es unterstreicht die kranke Blässe.

Mit lauten Trompetenstößen mache ich auf mich aufmerksam, betrübt, dass meinem Zustand nicht der gebührende Respekt entgegengebracht wird. “Du verseuchst die gesamte Wohnung ...” meine Tochter drängt mich zurück auf den Balkon und schiebt mir eine weitere Tasse widerlich süßen Kräutertees zu. Sie will mein Leiden schnellstmöglich beenden, aber ich werde ihr was husten ... Ich habe Ausdauer!
Ich ordere eine neue Turnierpackung Taschentücher, extra weich mit schützendem Ringelblumen-Balsamfilm ... alles was ich haben möchte, bringt sie mir - nicht sichtlich erfreut, aber ihrer Nesthockerpflicht gehorchend.

... und sie bringt mir darüber hinaus - ein Dampfbad!!!!
Hilfe, ich kriege so schon keine Luft. Noch bevor ich ein Wort sagen kann, habe ich ein riesiges Badelaken über dem Kopf und die Nase über heißem Kamillenwasser. Ich ergebe mich, versuche, die kleinen Kamillenblüten zu zählen, die in der Schüssel ertrinken. Im Nachbargarten verkündet eine Krähe lauthals meinen nahen Tod. Jemand setzt sich neben mich, wortlos.

Ich denke zurück, wie fing das eigentlich an ... Ich war kerngesund, die letzte Untersuchung ergab nur einen Kalzium-Mangel und ich habe mich doch umgehend daran gemacht, diesen auszugleichen. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen ... bis dahin hatte ich offensichtlich nicht einmal die Kraft, krank zu werden! Und nun, mit steigendem Kalziumspiegel ...! In Panik reiße ich mir das Handtuch vom Kopf, ringe nach Luft, lehne mich erschöpft zurück ... Was kommt wohl als nächstes? Langsam versinke ich in einen schwerelosen Dämmerzustand.

Gegen Abend habe ich mich mit meiner prämortalen Phase arrangiert und auch meine Tochter scheint die Dramatik endlich begriffen zu haben. Sie strahlt über das ganze Gesicht und baut sich mit einer Suppenschüssel in den Händen stolz vor mir auf. “Oh wie schön”, denke ich ... “ein Hühnersüppchen“. In ihrer rauen Schale steckt doch ein mitleidendes Herz! Ich quäle mich zum Sitzen, lächele mit letzter Kraft zurück, nehme den Deckel der Terrine hoch ... und lasse ihn augenblicklich scheppernd wieder fallen. Haferschleim! Haferschleim?
“Ich hab doch nichts am Magen!” zische ich. Ich lächele nicht mehr, ich springe auf, eile ins Bad.

Die abendliche Geschwisterverschwörung brachte es ans Licht ...
“... Ja, ich habe es so gemacht ... hat gewirkt ... hat bei uns doch auch immer geholfen ...“ Kichernd legt der Nesthocker den Telefonhörer auf und schiebt mir ... einen Teller Hühnersuppe zu ...

Nach dem Essen verlasse ich die Gruft, begebe mich schnurstracks an den PC. Ich spüre es ganz deutlich ... Die Muse hat mich gebissen. Sie hat ihren hässlichsten Mantel übergehängt und attackiert mich. Ihre Tarnung ist perfekt! Niemand vermutet sie hinter diesem löchrigen Fetzen, aus dem es unaufhörlich tropft.

Meine sonnenverbrannten Füße im kühlenden Nass, beginne ich zu schreiben ...
“... Die Sonne hält mir die Augen zu. Über meine Vermummung bei 25 Grad Außentemperatur verärgert, stürzt sie sich mit ganzer Kraft auf meine nackten Füße... Es schmerzt! Ich leide! Verbrennung dritten Grades!
Aus tränenden Augenwinkeln sehe ich zu, wie sie auch den Petunien das Gießwasser wegtrinkt, unfähig, etwas zu tun. Traurig lassen sie ihre hübschen roten Köpfchen hängen, rot wie meine sonnenverbrannten Füße, rot wie meinT-Shirt ... ja, rot steht mir gut, wenn ich leide. ...”


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