ES IST EIGENTLICH WIE IMMER
Es ist eigentlich wie immer.
Der Morgen schiebt die restliche Nacht beiseite und macht es sich neben ihr bequem, so bequem wie es eben geht neben denen, die immer da sind, neben den Büchern, neben dem Schreibblock und dem Fineliner, neben den verstoßenen Träumen.
Vor dem Bett stehen die Flipflops mit dem großen Blumenmuster. Sie werden fast verdeckt von den Hosen, die ihr gestern Nacht feuerwehrmäßig von den Hüften gefallen sind.
Der Tag beginnt zerknittert. Und mit Zwangsvorstellungen.
Die Zwangsvorstellungen trägt sie ins Bad und in die Küche, die Hosen wieder auf den Hüften, sie sind ihr zu groß. Dann ein paar Handgriffe: Anlage an, Laptop an, Kaffeemaschine an, Toaster an ... Es ist eigentlich alles wie immer.
Sie fängt mit dem an, mit dem sie vor sechs Stunden aufgehört hat, mit der Musik, mit dem Getränk, das die Nacht neben dem Laptop überlebt hat und mit dem Schreiben.
Nur etwas ist anders. Die Endorphine haben sich Urlaub genommen.
Pink Floyd in der Endlosschleife. Sie leidet mit Genuss. Zu Harvest kann sie auch gut leiden. Sie fühlt deutlich, dass es mal wieder höchste Zeit ist für Black Sabbath. Musik reißt ihr die Worte aus dem Herzen, aus der Magengrube, aus dem Arsch. Vorhin beim Wäscheaufhängen hat sie es plötzlich erkannt - wenn sie schreibt, kommt sie sich nahe, ganz nahe, bedrohlich nahe. So nah, dass es ihr fast weh tut, zu erkennen wer sie ist. Ok ok ok just a little pinprick ...
Gestern Abend waren es die wilden Pferde der Stones, die in einer mail zu ihr kamen und mit einem Sargnagel an ihrer ramponierten Oberfläche kratzten. Ich glaube, schon damals hatte sie beschlossen, nie mehr zu lieben. So muss es wohl gewesen sein, denn alles was danach kam, zählte nicht mehr, war nur noch für die Statistik. Bis auf einmal. Da tat es auch weh. Nein, sie will das nicht mehr. Nicht diesen Kloß im Hals, der bei jeder Erinnerung an den Schmerz plötzlich aus dem Nichts wieder da ist, nicht diese Angst, daran zu ersticken, weil er kaum zu schlucken ist und auch nicht die verlaufene Schminke unter den Augen. Diese Spitzen-Spitzen-Amplituden der Gefühle, die immer viel länger unterhalb der Nulllinie zu sein scheinen als oberhalb will sie nicht mehr. Sie will einfach nur wissen, endlich wissen, was sie will. Im Moment will sie einfach nur weg. Weg, bevor das Pendel sie trifft.
Wie gesagt, es ist eigentlich alles wie immer.
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Luna in flagranti - 15. Jun, 11:22